21.05.2014 Jordanien – Ab in die Wüste!

Der Morgen beginnt mal wieder recht früh. Viel zu früh, wenn man bedenkt, dass wir erst nach 2.oo Uhr in die Schlafsäcke gekommen sind.

So gegen 7.00 Uhr wecken uns die Sonnenstrahlen in der jordanischen Wüste, wo wir unter freiem Himmel unser Nachtlager aufgeschlagen haben. Was nun folgt ist bereits Rallye-Routine: Kaffee kochen, Schlafsack und Isomatte zusammenrollen, Zähneputzen, ne handvoll Wasser ins Gesicht, frühstücken und einpacken.

Unser Altstadt-Tetris hat heute „game over“, denn unser Schrankkoffer aus dem Hui verlässt uns heute samt Markus W. Oder anders rum. Wie auch immer: jedenfalls viel zu früh, denn unser lieber Schreinerle kann die letzten beiden Rallye-Tage nicht mit erleben. Die Arbeit ruft und da Markus einen gut laufenden Betrieb hat, muss er folgen. That´s life! Die Verabschiedung ist kurz, schmerzvoll und – ja auch wir Männer dürfen das mal zugeben – tränenreich. Ein anderes Team fährt Markus zum Flughafen, während wir uns auf den Wüstentag vorbereiten. Stefan hat für den Schreiner-Frischling noch ein besonderes Präsent parat und übergibt ihm die Hupe des Allemols, die er sich gewünscht hatte!

Für 7.oo Uhr war eine Zeitfahren angesetzt, das aber aufgrund der extrem späten Ankunft heute Nacht ausfällt. Schade, aber wer weiss, wofür es gut ist.

Gegen 8.30 nehmen wir in der Aufstellung vor der Startrampe platz. Es ist immer wieder ein saucooles Gefühl, mit unsere Rennwagen einen richtigen Rallye-Start hinzulegen. Das ganze ist allerdings gar nicht so einfach, denn wenn man die Rampe mit zu viel Schwung nimmt, setzt man fatal auf und reist sich evtl. auch was ab.

Nach dem Rampe geht’s dann mal so richtig zur Sache. Wir rasen dem Feld hinterher und erreichen auf den zunächst noch richtig gut zu erkennenden Schotterpisten Geschwindigkeiten von über 100km/h. Allerdings ist die Sicht durch die vorausfahrenden Autos eine Katastrophe. Je nachdem, wie der Wind steht sieht man überhaupt nix. Die ersten 15 Minuten geht es noch recht gesittet zu – dann aber beginnt eine wilde Überholrei, mit bis zu vier Fahrzeugen nebeneinander. Nicht ganz ungefährlich, denn es warten immer wieder tiefe Schlaglöcher oder spitze Steine. Dennoch sind wir in unserem Element und machen Plätze gut. Als ein Mercedes-Team zum Überholen ansetzt, wir aber keine Plätze herschenken wollen, wird es eng. Jens schießt etwa 15m neben der Strecke durch eine Lücke, die die beiden vorrausfahrenden Benz offen lassen. Als die beiden das Manöver bemerken, wollen sie ihrerseits dicht machen und ziehen rüber. Wir bleiben am Gas und sind durch! Uff – das war knapp. Aber cool. Die Staubentwicklung in der Wüste ist der Hammer und unsere Auto, Klamotten und Kameras sauen ein. Schnell sammeln sich auch regelrechte Staubkrusten auf unserer Haut.

Den Autos wird auch einiges abverlang. Mit Vollgas über Rüttelpisten, mit schwung durch ein ausgetrocknetes Wadi und dann diese Steine… Wer glaubt, daß es in der Wüste nur Sand gibt, liegt falsch. Die jordanische Wüste besteht mehr aus Steinen und Geröll. Die Steine sind teils sehr scharf und spitz und fordern beim Wäller nach 30 Minuten den ersten Tribut: Reifenschaden hinten recht. Der Reifenwechsel erfolgt zeittechnisch auf Formel 1-Niveau und wir verlieren nur wenige Plätze.

Nach etwa einer Stunde erreichen wir den ersten Sammelpunkt. An einer alten und wirklich toll renovierten Oasen-Station bestaunen wir, was die Menschen hier vor Jahrhunderten in den Sand gebaut haben. Bevor es weiter geht, gibt es noch einen Tee und einen Plausch mit Wilfried Gehr, dem Leiter des freundlichen Organisations Komitees. Wilfried hat die Frischlinge mittlerweile ins Herz geschlossen, da wir humor-technisch auf einer Wellenlänge unterwegs sind. Hauptsache schwarz und stark J

Wilfried Gehr absolviert in diesem Jahr die Rallye übrigens auf einer alten Hinda Goldwing. Hut ab – 7000km auf dem Mopped sind kein Zuckerschlecken.

Nach einem weiteren Wegpunkt nimmt nun das Schicksal seinen Lauf. Das Roadbook at folgende Überraschung für uns parat: „Fahrt ca. 300m nach Westen, dann 75km (!) nach Süden. Ob ihr richtig seid, erkennt ihr an den rot bemalten Steinen.“ Insgesamt liegen noch 120km (!!) Wüste mit solch detaillierten Angaben vor uns.

Bereits nach den o.g. 300m herrscht das Chaos, denn von roten Steinen ist nichts zu sehen – zumindest nicht regelmäßig. Der werte Leser stelle sich eine Gebiet so groß wie das Saarland vor; ohne Schilder, Straßen oder Orientierungspunkte. Wo hin man schaut, erblicken wir Staubfahnen von Teams, die sich Ihren Weg suchen. Das irritierende dabei: diese Staubfahnen bewegen sich alle in andere Himmelsrichtungen. Der Wahnsinn! Aber Jammer nutzt nix. Markus G entscheidet sich tapfer für einen Weg, der sich allerdings nach 2km im Nirvana verliert. Das lustige daran: uns sind etwa 5 weitere Team gefolgt (irgendwie glauben viele Teams, dass wir Profis sind – unsere super aufbereiteten Karren legen den Verdacht allerdings auch nahe). Und so stehen nun knapp 20 Autos im Nirgendwo in der Wüste. Stehenbleiben ist ja auch doof und so fahren wir einfach weiter. Versuche, den Weg anhand der Karte zu erkennen bringen gar nix. Wir fahren nach Kompass, versuchen passende Wege auszumachen und folgen unsererseits Staubfahnen, die wir in einiger Entfernung sichten.

So langsam wir uns die Dimension der Wüste klar. Einfach riesig. Von Horizont zu Horizont nur gelbes Gestein. Sieht toll aus – macht aber die Navigation fast unmöglich.

Nach einer Stunde Wüstenrundfahrt erleidet eines der Autos des israelischen Nationalteams einen Reifenschaden. Da das Auto – ein Chrysler Voyager – von zwei Frauen pilotiert wird, halten wir gentlemen-like an und helfen gerne. Kiste aufbocken, Rad runter und dann…. unglaublich aber wahr: die beiden Israelis sind ohne Ersatzrad in die Wüste gefahren. Auf die Frage, wo denn das Ersatzrad sei, bekommen wir nur ein Achselzucken. Aber bei der AOR hilft man sich gegenseitig und nach 5 Minuten kommt ein Pontiac Van vorbei und überlasst den Damen sein Ersatzrad. Das scheint auf den ersten Blick auch zu passen. Aber nur „fast“, denn nach wenigen Meter müssen wir wieder anhalten. Der Lockkreis stimmt zwar überein, aber die Radaufnahme leider nicht und so eiert das Teil bedenklich rum. Kein Problem, wenn man in Deutschland zur nächsten Tanke muss, aber ein Nogo, wenn man noch 120km durch die jordanische Wüste fahren will. Als nach weiteren 20 Minuten kein Auto mit passenden Rädern vorbei kommt, beschließen die zwei Frauen, ihren Wagen stehen zu lassen. Unglaublich, dass die Kiste aus dem Rennen fliegt, nur weil ein Ersatzrad fehlt…

Wir machen Platz in unseren Volvos und nehmen die getrandeten Mädels mit an Bord. Heute morgen haben wir Makrus W´s Schrankkoffer verabschiedet, nun nehmen wir einen rosa-farbenen (!) Koffer an Bord. Aber da dieser seinen Bestimmungsort auf der Dachbox vom Allemol findet, wird es nicht lange dauern, bis die Farbe des Koffers, sich der Wüste angepasst hat.

Mittlerweile ist es verdammt ruhig um uns herum. Die meisten Teams liegen vor uns oder irren hinter uns in der Wüste umher. Wir bahnen uns weiter unseren Weg durch das Geröll, aber die Geschwindigkeit geht weiter runter. Selten können wir mal den zweiten Gang nutzen – mehr als 10km in der Stunde sind nicht drin. Wir haben nun zudem die Orientierung komplett verloren. Den anderen Teams geht es nicht besser. Die rot-bemalten Steine sind nicht auszumachen. Da gibt es nur eine Lösung: wir fahren konsequent nach Kompass. Klingt wiederum auch einfacher als es sich anhört, denn es gibt hier keine Piste, die man durchfahren könnte. Immer wieder enden die ausgefahrenen Strecken in einem Wadi oder teilen sich. Nach 2 Stunden Irrfahrt treffen wir das Team Unsinkbar2 und fahren mit diesen Jungs im Konvoi. Es gibt einem irgendwie ein Gefühl der Sicherheit, wenn man andere Teams um sich rum hat.

Gegen 15.oo Uhr erkennen wir auf einer Anhöhe eine Ansammlung von Rallye-Fahrzeugen und halten darauf zu. Mitten in der Einöde haben sich ca. 30 Autos getroffen. Alle sind sich einige, dass man die komplette Wüstenetappe heute nicht mehr schaffen kann und man so einen Weg raus finden muss. Aber wie? Wilfried ist auch mit dabei und meint: „Da lang sindsch 40km – in de andere Rischdungn sindsch 38km. Fahrts halt wie ihr meint…!“

Mit ca. 25 Auto beschließen wir weiter richtig Süden zu fahren. Die Gruppe wird aber schnell kleiner, denn immer mehr Autos havarieren. Plattfüße, aufgerissene Ölwannen oder Tanks, abgerissene Aufhängungen überall. Und so kommt es, dass wir nach ca. einer Stunde ganz alleine sind. Nur noch 3 Frischling-Autos und die Wüste. Und nur noch 2,5 Stunden bis die Sonnen untergehen wird. Als wir bei einen Pannenstop – auch unsere Reifen machen so langsam schlapp – von 2 weiteren Teams überholt werden, beschließen wir mit diesem weiter im Konvoi zu fahren – egal was kommt. Ab sofort leben wir von der Hoffnung, nach der nächsten Kuppe endlich eine Straße oder ein anderes Zeugnis menschlicher Zivilisation zu finden. Dieses Spiel zieht sich endlos. Zwischenzeitlich erleidet der Wäller einen weiteren Reifenschaden. Da wir nunmehr nur noch einen brauchbaren Reifen als Ersatz haben, beschließt Jens einfach ohne Luft weiter zu fahren. Dadurch ist die Bodenfreiheit des Volvos noch geringer und Wadi-Durchfahrten mit anschließenden Anstieg werden zur Mutprobe.

Dann endlich: nach einer Kuppe taucht eine alte Festung auf. Nur blöd, dass diese bereits seit Jahrhunderten verlassen ist…. Dennoch tut es gut, etwas von Menschen erschaffenes zu sehen. Und die alte Festung hat noch einen wesentlich höheren Vorteil: die dient uns als Orientierungshilfe! Anhand einer detaillierten Geländekarte können wir nun endlich – nach mehr als 5 Stunden – unseren Standort bestimmen! Yes!!!!!! Auf der Karte erkennen wir, daß sich etwa 12km südlich von uns eine Fernstraße befindet. Ein tolles Gefühl! Die Stimmung steigt und wir machen noch ein Gruppenfoto vor der Ruine.

Nun haben wir aber ein anderes Problem: 12km durch die Wüste bedeuten ein bis zwei Stunden Fahrt. Aber in 1,5 Stunden wird die Sonne untergehen und ohen Tageslicht ist es definitiv unmöglich durch die Wüste zu fahren. Da helfen selbst unsere tollen Zusatzscheinwerfer nicht viel. Es gilt somit, keine Zeit zu verlieren. Zu schnell dürfen wir aber auch nicht fahren, denn ein weiterer Reifenschaden würde das Aus bedeuten…

Nach einer guten Stunde sehen wir die Straße und jubeln! Aber wie in einem schlechten amerikanischen Film, gibt noch kein happy end. Zunächst wird die Strecke fast unpassierbar. Tiefe Wadi-Durchfahrten und riesen Spurrillen versperren den Weg zur rettenden Straße. Als wir diese im letzten Tageslicht erreichen, offenbart sich uns ein ganz anderes Problem: wir kommen gar nicht auf die Straße! Diese befindet sich auf einer Art aufgeschütteten Damm – die Steigen zur Straße ist einfach zu steil für unsere Autos. So kämpfen wir uns entlang der Straße weiter Kilometer, bis wir eine Stelle finden, die eine Auffahrt möglich erscheinen lässt. Augen zu und durch! Und wir schaffen es tatsächlich. Die Erleichterung ist bei allen riesengroß und die Funksprüche sind nunmehr ausgelassen. Freude pur!

Was machen wir nun? Das Camp für diese Nacht befindet sich auf der anderen Seite der Wüste – wir müssten also einmal um die Wüste herum fahren. Da bedeutet ca. 340km oder mehr als 5 Stunden Fahrt; wenn alles gut geht… Das ist zuviel! Denn nach der kurzen Nacht und diesem extrem anstrengenden Tag sind wir fix und fertig. Eine solche Strecke wäre ein irres Risiko, das wir allesamt nicht mehr eingehen möchten. Der Konvoi beschließt, bis nach Ma´am zu fahren – noch ca. 130km – und dort eine Wagenburg zu errichten. Ein gutes Gefühl haben wir dabei nicht, denn dieser Stadt eilt ein schlechter Ruf voraus. Aber was bleibt uns übrig…

Als wir an der nächsten Tankstelle beschließen, alle Autos noch einmal aufzutanken kommt die Polizei und fragt uns, was wir vorhaben. Die Ordnungshüter sind von unserem nächtlichen Konvoi wenig begeistert und legen uns nahe, an der Tanke zu übernachten. Im Gegenzug verspricht man uns, eine Nachwache zu stellen und uns am nächsten Morgen mit einem Militärwagen zu eskortieren. Einerseits sind wir etwas irritiert, andererseits haben wir auch keine Lust, nachts überfallen zu werden. Wir nehmen das Angebot also an. Kurz darauf erscheinen auch zwei weitere Polizei-Autos und man positioniert mehrere Wachen rund um unser Camp.

Heute Abend gibt es viel zu erzählen und wir beenden den Abend in einer super lustigen Runde, mit Spaghetti, Rotwein, Bier, Brot und wüsten Wüstengeschichten.

Gegen 24.oo Uhr fallen wir totmüde in die Schlafsäcke! „Nacht, John-Boy“!