04. und 05.05.14

04./05.05.2014

Unser persönliches 35-Stunden-Rennen – oder: „was sind schon die 24 Stunden von Le Mans?“

Am 3. Tag der Rallye beginnen wir den Tag mal wieder um 5.30 Uhr. Diese Rallye ist definitiv nichts für Langschläfer…

Das frühe Ausstehen wir sofort entschädigt. Unsere Unterkunft, die Villa Anita liegt direkt am Hafen und die aufgehende Sonne bietet einen atemberaubenden Ausblick aufs Meer. Die Besitzerin der Pension versorgt uns rührend mit Kaffee und leckerem kroatischem Gebäck.

Auf geht’s Frischlinge, Klamotten verstauen, Zündschlüssel drehen, Gang rein, Kupplung kommen lassen und ab Richtung Bosnien. Was uns noch erwartet und wo uns die Reise hinführen wird, ahnen wir noch nicht.

Durch Split hindurch fahren wir zunächst noch eine Stunde am Meer vorbei, bis wir ins Landesinnere abbiegen. Sofort geht es steil hoch und der Wettkampf um die Bergwertung beginnt. Wir scheuchen unsere Volvos mit mittlerweile erprobter Leichtigkeit die Serpentinen hoch. Und wer glaubt, dass man mit 20 Jahre alten Autos, die zudem noch vollgestopft mit Hilfsgüter, Nahrung und vielen mehr sind, keinen Spaß haben kann, der irrt sich gewaltig. „Hui“, „Wäller“ und „Allemol“ sind mittlerweile richtige Racer geworden und rennen „wie die Sau!“. Team Wäller verschärft die Bergwertung, in dem sich Markus G und Jens noch vor dem Berg 2 Tassen heißen Kaffee einschenken. Es bleibt bis dato ein Rätsel, wie wir es geschafft haben, bis zum Gipfel nur 5 Tropfen zu verschütten.

Nach ca. einer weiteren Stunde erreichen wir die Bosnische Grenze, wo wir freundlich begrüßt werden. Die Grenzer lassen es sich nicht nehmen, mit uns Fotos zu machen und sind seelig, als Det ihnen ein kleines Präsent der Polizei übergibt.

Bosnien beeindruckt uns vor allem landschaftlich. So schön und abwechslungsreich haben wir uns das nicht vorstellen können. Es geht durch schottische Highlands mit riesigen Seen, durch karge Felslandschaften, vorbei an spektakulären Felsfomationen. Gegen Mittag erreichen wir Sarajevo. Eine Stadt die noch heute das Erbe des Bürgerkriegs mit sich trägt. Einschusslöcher sind auch hier überall noch sichtbar. Das Team Det & Markus W navigiert uns mit eine spielerischen Leichtigkeit aus der Stadt wieder heraus.

Nach etwa einer Stunde guter Landstrasse erwartet uns das Highlight des Tages: Unsere erste Offroad-Strecke. Eine Landstraße endet auf einmal und vor uns liegt eine verlassen Bahnstrecke, die mit Schotter zugekippt wurde. Was machen? Umdrehen? Auf keinen Fall! Auf, brettern wir die nächsten ca. 20 km über die alte Bahnstrecke, die noch nicht einmal das Niveau eines westerwälder Feldwegs hat. Es macht irre viel Spaß und ist ein super Abenteuer. „Hui“, „Wäller“ und „Allemol“ genießen die Strapaze sichtlich und erstrahlen nach einer Stunde Rallye-Einsatz im neuen Licht: Voll mit Schlamm und Staub!

Mittlerweile ist es 14.oo Uhr und Zeit unseren Autos und uns eine Mahlzeit zu gönnen. Unser „Hui“ bekommt immer noch eine Extra-Portion Öl – einen halben Liter auf 700km. Aber dafür liefert er auch ordentlich ab!

Wir ordern eine leckere Grillplatte und nach kurzer Rast geht es weiter.

Am der serbischen Grenze erhalten wir den ersten Dämpfer: Man will uns wegen der Hilfsgüter nicht einreisen lassen. Das sei nicht erlaubt und hätte beantragt werden müssen. Wir sollten umdrehen und über andere Länder nach Istanbul fahren. Das würde allerdings bedeuten, dass wir mindestens 500km Umweg nehmen müssen – bei unsere Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 50km/h kann man sich ausrechnen, was bedeutet…

Bruno ist allerdings top vorbereitet und hat die Nummer der deutschen Botschaft in Serbien zur Hand – blöd nur, dass die Botschaft nur bis 16.oo Uhr besetzt ist. Bruno lässt aber nicht locker und erreicht den Botschafter persönlich, der im Hintergrund etwas in Bewegung setzt. Zusätzlich legen wir noch etwas Bakkschisch in einen unserer Pässe. Was auch immer nun im Hintergrund passiert, nach etwa 30 Minuten erhalten wir unsere Pässe und werden mürrisch durchgewunken.

Serbien kann landschaftlich leider nicht mit Bosnien mithalten – zumindest nicht entlang unserer Strecke und wir beschließen, noch heute nach Bulgarien zu fahren. Ein abenteuerliches Unterfangen, denn die Fahrweise der Serben ist untertrieben noch als äußerst aggressiv zu bezeichnen.

Nach einer längeren Rast am Abend reift unser Entschluss, heute Nacht durchzufahren! Dementsprechend rufen wir zwei Maxime aus: Koffein-Pegel hochschrauben und Fahrerwechsel alle 2 Stunden.

Wir kämpfen uns durch die Nacht uns erreichen gegen 2.30 Uhr die Bulgarische Grenze. Es ist saukalt und das Grenzfoto für unser Roadbook wird schnell geschossen. Eine navigatorische Herausforderung wird Sofia. Es gibt zwar eine Umgehungsautobahn, aber die ist ja für uns tabu. Mit Hilfe unserer Karten und einem Taxi-Fahrer, der uns ein Stück aus der Stadt begleitet schaffen wir es aber und verlassen Sofia etwa gegen 4.oo Uhr nachts. Obwohl Sofia sogar nachts einen modernen Eindruck macht, ist der Rest des Landes augenscheinlich in einem schlechten Zustand. Dennoch erleben wir Bulgarien als freundliches Land. Leider haben wir keine Zeit, uns näher mit den Menschen und dem Land auseinander zusetzen, denn es gilt noch ca. 600km bis Istanbul zu bewältigen.

Als wir die türkische Grenze erreichen sind wir bereits seit 26 Stunden auf den Beinen und hinter dem Steuer. Wir sind platt, müde, fertig – aber westerwälder Frischlinge kämpfen! Also weiter!
Die Grenzformalitäten zwischen Bulgarien und der Türkei sind relativ umfangreich und so passieren wir gefühlte 15 Stationen, bis wir in der Türkei sind. Für Det und Markus werden es 16 Stationen, da Det rechts mit links verwechselt und in eine Röntgen-Station für Autos (ja, so etwas gibt es wirklich!) reinfährt. Was nun passiert ist unglaublich: die türkischen Grenzer verstehen unseren Humor und nehmen Det und Markus W komplett „auf die Schippe“ – der „Hui“ wird auf links-gedrecht und durchleuchtet. Die Beamten stellen fest, das der „Hui“ gnadenlos mit Hachenburger Büxen-Bier überladen ist, drücken aber ein Auge zu und wünschen uns eine gute Fahrt. Von der Grenze sind es noch ca 250 km bis nach Istanbul. Noch einmal eine Rast und dann „Bahn frei“, denn die türkische Landstrasse bis Istanbul ist zweispurig ausgebaut und in einem super Zustand. Wir erreichen ungeahnte Reisegeschwindigkeiten und schocken die Türken mit unserem Frischlings-Grünen-Orient-Express. Selbst gestande Sportwagen räumen freiwilligen den Weg, wenn sie unsere Volvos im Rückspiegel sehen!

Am frühen Nachmittag erreichen wir Istanbul. Hier wird unsere Navigations-Qualität auf eine harte Prüfung gestellt. Mit einem Konvoi aus drei Autos, besetzt mit 6 übermüdeten Fahrer durch eine 18mio Metropole zu fahren ist im wahrsten Sinne des Wortes abenteuerlich. Um 17.oo Uhr – also 35 Stunden nachdem wir losgefahren sind – erreichen wir unser Ziel: den Platz vor der blauen Moschee Istanbul. Unsere Plagerei hat sich gelohnt: wir kommen als 14. Team hier an. In Oberstaufen sind wir als 67. Team gestartet – dementsprechend sind wir stolz, dass wir so viele Plätze gut gemacht haben. Das Fahrerlager ist noch recht leer, aber blicken allerorts in müde aber glückliche Gesichter.

Wir stoßen auf unsere Ankunft mit einer Büxe Hachenburger an – das Bier aus der Heimat schmeckt herrlich!

Nachdem wir die letzte Nacht fahrender Weise im Autos verbracht haben freuen wir uns auf unser Quartier, nehmen eine heiße Dusche und gehen noch flott etwas warmes Essen. Markus G ist extrem müde und schläft noch im Restaurant ein.

Wie immer um 23.30 heißt es wieder einmal: „Nacht, John Boy!“.