12.05.2014 Von Tokat nach Ordu

12.05.2014

Von Tokat nach Ordu – wir lieben dieses Land!

Der Wecker klingelt heute um 6.20 Uhr – mittlerweile unsere Lieblingszeit. Da wir die letzte Nacht in einem billigen Hotel abgestiegen sind, genießen wir das Frühstück mit heißem Kaffee und leckeren Gebäck. Aber das Beste an diesem Frühstück ist die Tatsache, dass wir nicht selbst abspülen müssen. Schnell noch ein paar Aufgaben aus dem Roadbook erledigen – dazu läuft Stefan eine Runde durch die wirklich schöne Stadt Tokat. Jens sucht sich heute einen schönen Platz im Fahrerlager, um den Tagesbericht zu schreiben, als plötzlich der Gouverneur der Region vor ihm steht. Im Gepäck einen Tross von Kameraleuten. Jens überlegt kurz, ob er dem Politiker warten lässt, entschließt sich aber dann doch, sich zu erheben und dem Schlipsträger die Hand zu schütteln. Kurzes Interview mit dem Team – alle brav in die Kameras lächeln und wichtig die Hände schütteln. Gehört auch alles zur Allgäu-Orient-Rallye.

Gestern Abend waren wir so schlau und haben unsere Volvos direkt vor der Startrampe geparkt und schaffen es so, als eines der ersten Teams die Strecke in Angriff zu nehmen. Allerdings ist die Rampe so steil, dass unser „Allemol“ aufsetzt und hängen bleibt. Da gibt es nur eins: Ballast abwerfen!! Hierzu gibt es zwei Optionen: 1. Bruno raus, 2. Das Feldbett von Bruno raus! Gewichtstechnisch sind beide Optionen gleichwertig (ca. 120kg), daher entscheidet sich Team „Allemol“ für die erste Wahl.

Nach etwa 40km erreichen wir die Stadt Niksar, die uns einen netten Empfang auf deinem kleinen Aussichtsplateau oberhalb der Stadt gibt. Auch hier wird eine Aufgabe aus dem Roadbook abgearbeitet und weiter geht´s.

Noch ein paar Kilometer Asphalt und dann beginnt die heutige Off-Road-Strecke. Diese hat es in sich – vor uns liegen extrem harte Anforderungen an Mensch und Maschine. In den letzten beiden Tagen waren die Pisten zwar auch hart, aber nicht so ausgefahren und holprig wie heute. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt auf einstellige Angaben.

Nach 20km Off-Road erreichen wir eine Unfallstelle. In einer schnelleren Schotter-Kurve kam ein Auto des Teams 65 ins schleudern uns ist einen 15m tiefen Abhang runter gestürzt. Der Audi liegt nun unten im Tal und sieht schlimm aus. Den Fahrern ist zum Glück nicht passiert. Aber der Schreck sitzt nicht nur bei den Unfallbeteiligten tief. Auch uns steckt ein Kloß im Hals und wir werden die Strecke noch vorsichtiger fortsetzen. Team 65 wird ab sofort nur noch mit 2 Autos die Rallye fortsetzen können. Wir nehmen ein paar Gegenstände in unseren Volvos auf und setzen die Fahrt fort.

„Hui“, „Wäller“ und „Allemol“ kämpfen sich wacker durch das Gebirge, das uns mit wirklich atemberaubenden Ausblicken verwöhnt. Dieses Land begeistert uns nicht nur mit seinen tollen und gastfreundlichen Menschen, sondern ganz besonders mit seinen Landschaftseindrücken.

Die Off-Road-Passage hat es wirklich in sich und fordert weitere Opfer. Bei einer kleinen Bachdurchfahrt wundern wir uns, warum Det im ersten Auto so langsam macht. Es hat einen Grund: hinter dieser unscheinbar wirkenden Stelle verläuft eine Ölspur entlang der Piste. Wenige hundert Meter später steht ein Passat, der sich die Ölwanne aufgerissen hat. Nur wenige Meter später wird ein 5er BMW bereits abgeschleppt. Wir sind heilfroh, dass Stefan unsere Volvos mit einem massiven Unterfahrschutz ausgestattet hat.

Der Weg führt über eine Hochebene zu einem Aussichtsberg. Aber zunächst muss man dort hochkommen – die Steigung ist irre und der Untergrund besteht aus lockerem Schotter. Unser „Allemol“ schafft die Steigung erst im zweiten Versuch. Andere Rallye-Mitstreiter schaffen es gar nicht. Oben angekommen genießen wir einen beeindruckenden 360° Rundumblick – es ist mit Worten nicht zu beschreiben, wie schön die Türkei ist.

Nach der Hochebene verlassen wir die Off-Road-Etappe und nutzen mehr oder weniger gute Asphaltstraßen bis zum Schwarzen Meer. Unser Etappenziel, die Stadt Ordu, begeistert uns mit einem quirligen Stadtleben und tollen Stränden. Kurzerhand entschließen wir uns, unser Nachtlager am Strand aufzuschlagen. Es ist einfach nur herrlich hier.

Kurz nachdem wir unser Feierabend-Bier geöffnet haben, erscheint der Konsul der Region bei uns am Camping-Tisch und bittet uns höflich, mit ihm einen Korso durch die Stadt zu fahren. Dazu nutzt er nicht aber seine Diplomaten-Limusine, sondern einen AOR-Wagen, der ca. nur 1% des Werts seines Dienstwagens aufweist. Während des Korsos legt Markus G wilde Drifts und burn-outs vor den laufenden Kameras hin, während Det von seinem Beifahrer, dem Landrat, freundlich darauf hingewiesen wird, dass man einen Konsul nicht überholen darf… zu spät J

Abends erwartet uns noch ein kulturelles Programm und die anschließende Musikinstrumenten-Aufgabe. Wir können froh sein, mit Det einen versierten Musiker im Team zu haben. Mit seinem Bühnenauftritt löst er wahre Begeisterungsstürme aus.

Danach haben wir endlich Feierabend. Wir genießen den Ausklang des Abends am Strand mit einer Büx Hachenburger Pils.

Um 0.00 Uhr heißt es dann wieder: „Nacht, John-Boy!“

 

An dieser Stelle vielleicht auch einmal ein paar Worte zu unserer Fahrweise: ja, wir fahren immer und stets angemessen – auch wenn es zum Teil wild hergeht und wir „die Kuh fliegen lassen“. Dennoch nehmen selbst wir eine dramatische Anpassung unserer Fahrweise fest. Auf dem Prolog von Hachenburg nach Oberstaufen meinte ein Team-Mitglied noch „ich traue mich nicht schneller als 110km/h mit der Kiste zu fahren. Die schwimmt so.“. Heute brettert eben dieser Kollege mit 130km/h über Schlaglöcher, in denen man locker ein Fundament für ein 2-Familien-Haus setzen kann. Selbst unser Bruno – ein hohes Tier bei der Polizei in Koblenz – verliert den Respekt vor der hiesigen Exekutiven und überholt einen Polizei-Einsatzwagen, der sein Blaulicht eingeschaltet hat mit mehr als nur deutlichem Überschuss… und hupt dabei noch anständig, um sich Platz zu verschaffen. Respekt!

Aber unsere Rallye-Schweden wollen auch sportlich bewegt werden – die Kisten rennen mittlerweile wie die Feuerwehr und die Frischling-grüne Lackierung sorgt für erschreckte Gesichter, sobald ein vorrausfahrender in den Rückspiegel schaut.

Keep on racing, Frischlinge!!