13.05.2014 Von Ordu nach Tünceli

13.05.2014

Von Ordu nach Tünceli – Landschaftliches highlight

Heute gönnen wir uns wieder einen Start in den Tag ohne Wecker. Dennoch sind wir gegen 7.oo Uhr wach – wir passen uns dem Rallye-Modus an.

Allerdings lohnt sich heute das Aufstehen. Unser Camp liegt direkt am Strand; nur 20 Meter vom Meer entfernt und so werden wir bereits bei dem ersten wachen Moment mit Meeresrauschen verwöhnt. Schnell noch nen Kaffee und ne Stulle. Dann beginnt das allmorgentliche Allstadt-Tetris: Det und Markus W versuchen seit nun mehr 12 Tagen, Ordnung in Ihren Wagen zu bekommen. Alle anderen Team-Mitglieder haben eine feste Struktur im Beladen der Autos nur unsere Allstädter werden sich nicht einige. Allerdings haben sie es auch nicht leicht – Markus W wurde von seine lieben Frau Ulla mit einer schier unlösbaren Aufgabe zur Rallye geschickt. Er musste den Rucksack zuhause lassen und diesen gegen einen 240-Liter-Koffer eintauschen. Ein wirklich stilvolles Rallye-Assessoire – wir sind allerdings sehr froh, dass der Koffer nicht auch noch rosa ist.

Aber nun wieder zum wesentlichen: Gang rein, Kupplung kommen lassen und ab auf die Strada. Heute führt uns der Weg ins wilde Kurdistan. Uns erwarten tolle Passstraßen, die über 2200 Meter Hohe Gipfel führen. Dazwischen herrliche Hochebenen und wirklich atemberaubende Canyons. Man glaubt es kaum, aber landschaftlich erinnern uns diese Landschaften mal an den Grand Canyon, dann an die australischen Kimberleys und wenig später an tibetische Hochsteppen. Wirklich unglaublich und absolut sehenswert.

Gegen Mitttag biegen wir in ein kleines Dorf ab. Im der Dorfmitte fragen wir nach einen Lokal. Sofort begleiten uns zwei Männer und helfen uns bei der Auswahl der Speisen. Schon nach der Suppe – eine Art Kalkschale aus Joghurt und Gurken – ist wieder das halbe Dorf um uns. Unsere Autos ziehen die Menschen förmlich an. Nach dem Essen lädt man uns zu Gebäck und Tee ein. Als man versteht, dass wir den Charity-Gedanken tief in unserem Verein verankert haben, fordert man uns auf, die Dorfschule zu besuchen. Das machen wir natürlich sehr gerne und revanchieren uns bei dieser Gelegenheit mit Malbücher und T-Shirt für die Kids im Alter von 3 bis 8 Jahren. Es macht so irre viel Spaß zu sehen, wie sich diese Kinder über diese – für unsere Verhältnisse – kostengünstigen Artikel freuen. Und es ist einfach schön mit diesen Menschen, die noch unverfälscht vom Massentourismus sind, zu reden und zu lachen. Diese Gastfreundschaft ist unglaublich – aber davon später noch mehr.

Nun heißt es die nächsten 250km bis ins anatolische Tünceli in Angriff zu nehmen. Etwa 50km vor dem Ziel trauen wir unseren Augen nicht, als ein Braunbär die Straße unmittelbar vor uns kreuzt. Meister Petz nimmt schnell Notiz von unseren Frischlings-Mobilen und trollt ab ins Gebüsch. Wir schmeißen den Anker, reißen den Fotoapparat hoch und flitzen dem Tatzenvieh hinterher. Bis auf 10 Meter kommen wir an ihn ran, bis er sich durch einen Bach aus dem Staub macht. Wie im Film dreht er sich noch einmal um, schaut uns tief in die Augen und verschwindet im Gebüsch. Vor lauter Euphorie vergessen wir fast, nach hinten zu schauen, ob nicht noch ein zweiter Bär folgt.

Unser heutiges Etappenziel Tünceli ist in der Türkei recht bekannt, da es sich um eine „Hochburg“ der Arbeiterpartei PKK handelt. Entsprechend hoch ist hier das Polizei und Militär-Aufgebot. Er wäre gelogen, wenn wir behaupten, dass uns das nicht irritiert hat. Dennoch werden wir auch hier Zeuge dieser immensen Gastfreundschaft. Als auf der Hauptstraße ein VW Polo mit uns Markus G und Jens auf gleiche Höhe zieht und das Fenster runter kurbelt beginnt ein lockeres Gespräch bei 50km/h. Nach nur einer Minute lädt uns Ismael, so stellt sich dieser Kurde vor, zu sich ein. Wir sollen doch nicht in Zelten schlafen – er hat eine 4-Zimmer-Wohnung und somit genügend Platz, unser Team zu beherbergen. Er fährt voraus und zur Wohnung seiner Schwester, denn als er diese telefonisch von seinem „Fund“ unterrichtet, besteht sie darauf, unser Gastgeber zu sein. Er können es kaum glauben, aber wir werden wirklich zu dieser aleitischen Familie eingeladen und verbringen einen tollen Abend. Wir erfahren viel über den Kurdisch-Türkischen-Konflikt und über das Leben der Kurden in dieser Region. Als wir vorschlagen, die Familie zum Essen einzuladen winkt man nur gelassen ab. 30 Minuten später hat die Familie eine riesen Tafel für uns gedeckt. Alles frisch, alles lecker, alles super!

Markus W, Det und Bruno pennen auf dem Balkon – der Rest des Teams nächtigt im Wohnzimmer. Es gibt viel zu erzählen und so beenden wir den Tag erst gegen 23.30Uhr.

„Nacht, John Boy!“

 

An dieser Stelle noch einmal ein paar Zeilen „außer der Reihe“: ja, die Türkei ist anders als Deutschland. Und ja, einige Dinge mag man kritisch sehen. ABER: bitte vergesst bei dieser Tatsache nicht, dass einerseits unser Bild der Türkei sehr als deutlich durch die westlichen / deutschen Medien geprägt wird und andererseits es sich um ein Land handelt, dass über Jahrtausende eine andere Kultur kultiviert hat, als wir sie kennen. Natürlich ist es nicht korrekt, dass man hier einfach Twitter und Co abschalten will, aber das ist wirklich nur ein kleiner Mosaikstein. Auf der anderen Seite lernen wir hier ein Land kennen, das durch seine Gastfreundluch und Hilfsbereitschaft nicht zu übertreffen ist. Und dieses Land hat es geschafft, in den letzten 30 Jahren eine phänomenale Entwicklung hinzulegen. Wir fühlen uns Sau wohl und sind überzeugt, dass die Türkei ihren Weg gehen wird.

 

Noch zusätzlich noch ein kleiner Hinweis hinsichtlich des GPS-trackings und der AOR-Wertung. Das GPS-tracking-tool der AOR dient nur dazu, die aktuellen Positionen der teilnehmenden Teams zu veranschaulichen. Seit Istanbul ist die zurückgelegte Strecke aber nebensächlich in Bezug auf die Wertung / das ranking der Teams. Wesentlich hierfür ist das Erledigen der gestellten Aufgaben des Roadbooks und das bekommt man nur hin, wenn man den vorgegeben Weg fährt. Wenn ihr also ein Teams seht, dass nach Istanbul der AOR-Pfad verlässt und entlang der Mittelmeer-Küste nach Isgenderum fährt, legt dieses Team zwar mehr Kilometer zurück, kann aber die o.g. Aufgaben nicht erledigen. Kilometer-technisch sind wir zwar nicht ganz vorne, aber da wir fleißig alle Aufgaben erledigen – was ja auch eigentlich Sinn dieser Rallye ist – sind wir noch im Rennen um das Kamel (also den Gewinner-Preis). Also lasst euch nicht verwirren und drückt uns weiterhin die Daumen.