15.05.2014 Vom Van-See nach Iskenderum

15.05.2014

Vom Van-See nach Iskenderum – Vollgas-Etappe

Der Wecker reißt uns bereits um 5.oo aus unseren Träumen. Da heute etwa 900 km vor uns liegen, gilt es keine Zeit zu verlieren. Zelte abbauen, Kaffee-Kochen und noch eine Runde Altstadt-Tetris (siehe Report 13.05.). Was wären wir ohne Markus W´s Schrankkoffer? Dieser hilft uns heute Morgen auf jeden Fall, den Humor zu bewahren und über die klatschnassen Sachen – Zelte, Schuhe und andere Dinge – hinweg zu sehen.

Das Lager schlummert noch in allen Ecken. Nur einzelne Teams sind schon wach, als wir uns leise von dannen schleichen.

Als erstes müssen wir aber noch eine AOR-Aufgabe erledigen: Klamotten und Körper im Sole-haltigen Van-See waschen. Dieser ist zwar eiskalt, aber unser Schrauber-Frischling Stefan genießt das Vollbad dennoch in vollen Zügen.

Die Strecke führt uns heute von Van, das nur etwa 50 km vom Iran entfernt liegt quer durch den Osten der Türkei bis ans Mittelmeer. Dabei fahren wir lange Zeit an der syrischen Grenze entlang. Es ist kaum vorstellbar, dass in nur 10 km Entfernung ein wirklich fataler Bürgerkrieg herrscht. Vereinzelt sehen wir auf Rauch-Schwaben aufsteigen. Auffällig sind auch die zahlreichen Kontrollen, die wir heute passieren müssen. Aber das Glück ist weiterhin mit uns. In der Regel werden wir durch gewunken. Sollte diesmal nicht der Fall sein, müssen wir nur halten, damit die Beamten eine Unterschrift oder einen Gruß auf unsere Volvos aufbringen können. Unsere Karren sind mittlerweile voll von Autogrammen und Wünschen.

Die Fahrt über die türkischen Fernstraßen ist sehr speziell. Einerseits erreichen wir auch heute für unsere Verhältnisse sehr hohe Reisegeschwindigkeiten, die manchmal bis zu 130km/h betragen. Andererseits muss man tierisch aufpassen. Die Straßen weisen allzu oft Krater-ähnliche Schlaglöcher auf. Dazu muss man immer mit Überraschungen hinter der nächsten Kurve rechnen. Dort erwartet den Fahrer manchmal eine Herde Baumwollschafe, eine verwirrte Kuh oder ein Gabelstapler, der zudem noch als Geisterfahrer unterwegs ist.

Wir passen unsere Fahrweise den Gegebenheiten an, sind uns aber einig darüber, dass wir in Deutschland unsere Führerscheine längst los wären – lebenslänglich.

Frühstück findet heute am Straßenrand statt. Gegen Mittag finden wir das Team 46 – die Knubbels auch aus Hachenburg – am Straßenrand. Einer Ihrer Ford Explorer ist verreckt. Mit Fredi Wessler hat das Team aber einen super Mechaniker dabei und so wird Stefans Hilfe nicht wirklich benötigt. Die Knubbels wollen die Kiste abschleppen, denn man steht am Rand einer Schnellstraße und die LKWs donnern mit gefühlten – oder tatsächlichen? – 120km/h an uns vorbei. Bevor es weiter geht, hält aber eine Polizei-Streife an. Eine freundliche Politesse fragt erst gar nicht was los ist, sondern möchte erstmal auf unserer Motorhaube unterschreiben.

Unser Durchschnittsverbrauch erreicht heute Rekordwerte: 14 Liter gönnen sich Hui, Wäller und Allemol bei dieser Etappe, denn es geht mit Vollgas über 2240 m hohe Pässe und entlang traumhafter Hochebenen, die fast bis zum Horizont zu reichen scheinen.

Am späten Nachmittag erreichen wir die Bucht von Iskenderum – wir fertig platt von den Strapazen und herbe enttäuscht. Mit einer romantisch verklärten Vorstellung eines tollen Camp am Strand mit Sonnenuntergang, leckeren Essen und toller Stimmung haben wir die 900 km heute Morgen in Angriff genommen. Hier erwartet uns aber eine wirklich hässliche Ecke der Türkei: Schwer-Industrie, Kraftwerke, Hochöfen und schmuddelige Hafenanlagen. Klar, dass muss ja irgendwie auch sein, aber doch bitte nicht hier und heute. Unsere Stimmung sinkt und der Funkverkehr – ansonsten immer geprägt von Späßen und guter Laune – ist ein Spiegelbild dieser Stimmungslage.

So what! Life is a bitch! Also Augen zu und durch. Da wir keine Ecke zum campen finden, checken wir in einem Hotel ein, das halbwegs ins Budget und zu unsere Vorstellungen passt. Dennoch erwarten uns weitere Überraschungen: das Restaurant ist schon geschlossen und im Pool ist kein Wasser. Zudem wird an dem Hotel noch fleißig gearbeitet.

Die nette Dame an der Rezeption hilft uns in der Not und ordert ein super Abendessen für uns. Neben den obligatorischen Köfte, Kebab und Salat gibt es heute Abend noch Fisch. Lecker. Wir sind todmüde, halten aber noch bis 24.oo Uhr durch, denn unser Schrauber-Frischling startet in ein neues Lebensjahr!

„Hapy birthday und gute Nacht, John-Boy!“

 

Mal wieder in paar Zeilen außer der Reihe: das Rallye-Leben hat mittlerweile von uns Besitz ergriffen. Komfort, Luxus und Bequemlichkeit werden mehr und mehr Fremdworte. Natürlich genießen wir jede Möglichkeit, mal zu duschen. Aber auf der anderen Seite stellen zelten im Regen oder Eier backen auf dem Gaskocher keine großen Herausforderungen für uns mehr da. Selbst Jens – ansonsten immer auf Hygiene und Sauberkeit bedacht – legt seinen Waschzwang ab und begnügt sich nun auch mal mit einem Pussie-Feuchttuch. Auch unseren Schwedenpanzer zieht man die Rallye an – von außen und innen. Während der Dreck außen noch als authentisch durchgeht, ist der Staub und Dreck im Auto schon extrem. Ein besonderes highlight erwartet uns, wenn man nach einer staubigen Rallye-Etappe die Lüftung anschaltet: bevor auch nur etwas Luft in den Wagen dringt, stößt das Gebläse kiloweise Feinstaub ins Wageninnere. Aber was soll´s – nur die Harten kommen in den Garten!