22.05.2014 Jordanien – Spenden abliefern & Zieleinlauf!

Heute morgen lassen wir und um kurz nach 7 Uhr von der Sonne wecken. Während der Rallye haben wir einige Tage mit Regen und miesen Temperaturen verbracht, habe uns einige Morgen aus den nassen Zelten geschält und uns bei eisiger Kälte nen Kaffee gekocht. Ganz anders ist das nun in Jordanien – hier verwöhnt uns der größte Fixstern unseres Sonnensystems und heißt uns heute zum letzten „richtigen“ Rallye-Tag herzlich willkommen.

Jens beginnt heute den Tag aus einer exponierten Lage: er hat die Dachbox des Wällers als Schlafplatz erkoren. Nachdem ihm gestern Abend beim Pinkeln zwei Kakerlaken über die Füße gelaufen sind, ist ihm die Lust am campieren aus der Erde vergangen. Stefan meint dazu nur „So ne Pussy – die Viecher essen wir sonst zum Frühstück!“.

Gestern waren wir viel zu aufgeregt und später dann einfach zu müde, um zu realisieren, dass unser Abenteuer schon bald vorbei ist. Aber heute ist der Gedanke schon vor dem ersten Kaffee präsent. Vor drei Wochen sind wir gestartet, haben tausende von Kilometer hinter uns gebracht, haben extrem aufregende Sachen erlebt und ganz nebenbei gelernt, die Welt aus anderen Augen zu sehen. Aber zunächst Schluß mit den sentimentalen Mist – vor uns liegt noch ein harter Tag!

Wir haben ja die letzte Nacht mit einigen anderen Teams an einer Tankstelle verbracht und wurden durchgehend von der Polizei bewacht. Wir zählen insgesamt 3 Polizei-Autos und 5 Beamte mit Pistole und Co. Diese ließ es sich sogar nicht nehmen, unser Hab&Gut während der Nacht genauer zu untersuchen. Kein gutes Gefühl, wenn jemand fremdes nachts in Deinen Klamotten rumstöbert.

Wir hatten der Polizei gestern versprochen, bei Nacht nicht mehr weiter zu fahren. Im Gegenzug dazu hat man uns versprochen heute einen Konvoi mit Militär-Begleitung zu stellen. Man kann ein wenig erahnen, dass es hier im Orient nicht nur friedlich zugeht. Pünktlich um 9.oo Uhr werden wir von einem kleinen hageren jungen Mann aufgefordert, uns hinter einen Land Rover der Armee aufzureihen. Der hagere Typ ist der Laufbursche eines drebe dreinblickenden Offizier, der kaum englisch spricht und somit seinen Hiwi vorschickt. Der Offizier ist eine harte Nummer: die Unform sitzt besser als jeder Maßanzug, das Gesicht verzieht keine Miene und die Augen sind hinter einer spiegelten Pilotenbrille versteckt. Der Typ zieht aus wie ein GI aus den 80ziger Jahre-US-Kinofilmen. Irgendwie furchteinflößend – irgendwie komisch.

Also los jetz! Wie so oft fällt den Frischlingen mal wieder die Führungsarbeit zu und „Wäller“ samt Markus G und Jens starten hinter dem Landrover. Dieser fährt auf´s Komma genau 80,0 km/h. Kein km/h schneller oder langsamer. Per Funk stimmen wir die Geschwindigkeit mit allen Autos im Konvoi ab – echt super, dass alle Rallyeteilnehmer mit CB-Funk unterwegs sind. Und so gleiten wir bedächtig durch die Wüste. Links Kamele, rechts ab und zu mal eine Nomaden-Siedlung. Eigentlich entspannt so langsam zu cruisen. Unser Frischling-Tempo der letzten Wochen war deutlich verschärfter

Die Strecke führt uns um den nicht besiedelten Bereich der Wüste rum und nach etwa 3 Stunden Fahrt zu der Straße an der wie wieder auf den Rallye-Tross stoßen sollen. An der Kreuzung stoppt der Konvoi. Alles muss seine Ordnung haben und so gibt uns das Militär noch nicht „frei“. Erst muss die Polizei dieser Region uns übernehmen. So lange verbringen wir die Zeit am Straßenrand mit Fussball-spielen oder Quatschen eine Runde mit den Soldaten. Dabei stellt sich heraus, dass der üble dreinblickende GI ein echt sympathischer Typ ist. Er erzählt von seiner Familie und freut sich als ein befreundetes Team ihm einen Lederfussball für seinen Sohn gibt. Nach einer halben Stunde hat das Warten ein Ende und wir dürfen – nach dem die Polizei eingetroffen ist – wieder alleine los fahren. Und das endlich wieder in angemessener Frischlinge-Reisegeschwindigkeit. Also volles Rohr!

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Volles Rohr heißt beim „Wäller“ allerdings auf volles Dezibel-Volumen. Unser Auspuff hat sich ja gestern in der Wüste verabschiedet und wir blasen somit Abgase und Motorlärm ungefiltert in die Welt hinaus. Der Hammer, was ein vormals zu leiser Geselle wie unser Volvo nun an Geräuchkullisse produziert. Aber als Insasse ist das nur mit einer hohen Dosis an Paracetamol auszuhalten. Seis drum – es macht SPASS!

Nach kurzer Fahrt erreichen wir den nächsten Aufgaben- und Programm-Punkt der AOR 2014: das Flüchtlingslager, in dem sich zig-tausende Syrer aufhalten. Das ganze wirkt allerdings eher wie ein Dorf, das binnen kurzer Zeit auf dem Boden gestampft wurde.

Am „Gemeindezentrum“ soll von AOR-Teilnehmer einer Wish-Wall gebaut werden. Eine Mauer, gebaut aus Steinen, die jedes Team aus der Heimat mit gebracht und auf denen jeweils ein Wünsch geschrieben steht. Wir haben zwei Steine den wieten Weg mitgeschleppt. Einen von unserer Stadt und einen von unserer Verbandsgemeinde. Det –ganz der Handwerker – mengt schnell einen Eimer „Speis“ an und gemeinsam bringen wir unsere Steine an der Wish-Wall an. Ein tolles Gefühl. Auf einem Stein haben wir unsere Namen und den Spruch „Frienship – the highest good!“ angebracht. „Freundschaft – das höchste Gut!“ – drei Wochen als Team, also 21 Tage im Frischlings-Rudel bekommen diese Worte eine ganz andere Bedeutung. Wieder einmal Gänsehaut – nicht zum letzten Mal für heute.

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Der nächste emotionale Moment folgt sogleich: die Reis-Übergabe. In den letzten drei Wochen haben wir durch die „Handtäschchen-Aufgabe“ (siehe website) Kleinigkeiten wie Feuerzeuge und Taschentücher gegen Reise getauscht. Stefans Sohn Tom hatte bereits vor der Rallye im Heimatort Linden Reis als Spenden gesammelt und so können wir heute nicht nur die als Aufgabe geforderten 5kg übergeben, sondern deutlich mehr. Diese knapp 10kg Reis werden teil der weltweit größten Nahrungsmittelspenden-Aktion, die das OK der AOR organisiert hat.

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Nun steht die letzte offizielle Spendenübergabe an. Wir übergeben der Leitung des Flüchtlingslager Spenden in Form von Kinderkleidung und Spielzeug, die wir aus der Heimat mitgebracht haben sowie alle Dinge, die wir ab sofort für die Rallye nicht mehr benötigen. Und das ist eine ganze Menge! Schlafsäcke, Zelte, Camping-Küche, Lebensmittel, Stühle und Teile unserer Kleidung – ja sogar die Pussy-Betten von Bruno und Det müssen dran glauben. Alles für einen guten Zweck! Nachdem es in 2013 bei der Spendenübergabe in Jordanien zu Tumulten kam, hat man dieses Jahr Vorsorge getroffen: die Übergabe wird von einigen Polizisten und Offiziellen „überwach“ und kontrolliert. Einerseits ein seltsames Bild, anderseits notwendig, denn es gilt diese Menschen in Not auch vor sich selbst zu schützen. Nach und nach dürfen die Bewohner in das Gemeindezentrum und sich einige der Spenden holen. Hier ein zahnloser Alter mit nem Schlafsack – da ein kleines Mädchen mit einer Puppe – dort ein junger Familienvater mit einer Kiste Konserven. Allen ist eins gleich: das Strahlen in ihren Augen!

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Hier treffen wir auch Wilfried Gehr, den Chef des OKs wieder. Auch er hat es gestern nicht geschafft, aus der Wüste heraus zu kommen und hat im Hotel der tausend Sterne geschlafen – also in der Wüste unter freiem Himmel. Der Frohnatur Wilfried kann so etwas überhaupt nix anhaben – er grinst schon wieder von einem Ohr zum anderen.

Vor uns liegen nun die letzten 300km der Rallye. Irgendwie wollen und können wir das nicht glauben. Zunächst 200km auf einer Art Schnellstraße – zumindest machen wir es zu einer Schnellstraße J. Für Markus, der hier den „Wäller“ pilotiert eine Nerven zehrende Angelegenheit, denn Jens erinnert ihn jedes mal, wenn die Tachonadel über 120 km/h steigt daran, daß wir a) keinen Ersatzreifen mehr haben und b) einer unserer Reifen bereits bis aus den Draht abgefahren ist….

Danach erwartet uns eine super tolle Fahrt durch das ursprüngliche Jordanien. Kleine Ortschaften, dann wieder einen Oase, gefolgt von ein paar Nomadenzelten, dann mal wieder eine Stadt. Mitten in dieser Idylle passiert etwas unglaubliches: als Jens das Fenster raus läßt, wird das Roadbook vom Wind ergriffen und fliegt zum Fenster raus…. Weg! Ohne Roadbook sind wir so gut wie aufgeschmissen… Oder müssen abwarten, bis ein anderes Team und geleitet (was wir nicht wirklich wollen…). Also Rückwärtsgang rein und SUCHEN! Wir haben Glück! Uff! Und weiter geht´s. Etwa 40 km vor dem Ziel erreichen wir eines – wenn nicht das – landschaftlichen hightlights – ein Canyon von irre großen Ausmaß und Tiefe. Schöner ist selbst der Grand Canyon nicht – vielleicht größer, aber nicht schöner. Einfach WOW!

Bevor wir in den Canyon reinfahren gönnen wir uns noch ein üppiges Mittagessen mit einmaliger Aussicht! Die Welt ist einfach wunderschön!

Gestärkt und ausgeruht rollen wir gemächlich die Passstraße bis zum Fuße des Tals. Dann packt es Stefan und Jens! Sie fordern dem „Allemol“ und „Wäller“ noch einmal alles ab und heitzen ohne Rücksicht auf Verluste die Serpentinen aus den Canyon hoch. Nun versucht Markus, Jens noch einmal an die Reifen-Situation zu erinnern, gibt aber schnell auf. Einerseits, weil es kein Halten mehr gibt – andererseits, weil man ohnehin nix mehr hört. Zur Erinnerung: der Wäller hat seinen Auspuff im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste geschickt und dröhnt nun ab 4000 Umdrehungen auf Formel Eins-Niveau (wirklich keine Übertreibung). Wirklich lustig: noch bevor wir zu sehen sind eilen Menschen herbei und bejubeln uns, als wir dann Minuten später im Powerslide um die Ecke biegen. Da sage mal noch jemand, ein Volvo 850 sei nur etwas für verschüchterte Religions-Lehrer! Unsere Karren gehen wie die Sau…

Oben angekommen müssen wir erst einmal auf Det warten. Währned der Wartezeit holen wir unser Abitur nach und lernen Mandarin…

Was nun folgt kann man nicht mit Worten beschreiben. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass es nur noch wenige Kilometer bis zum Ziel sind. Die Funksprüche beschränken sich auf das wesentliche, im Auto wird kaum noch gesprochen. Kann es das schon gewesen sein? Sollen wir noch einmal zurück auf Start? Ohne über „LOS“ zu gehen und 4.000,- D-Mark zu erhalten? Ganz gemächlich nehmen wir die allerletzten Kilometer zum Toten Meer in Angriff und werden erwartet von der „Panoramic-View-Road“ – einer Straße, die ihren Namen verdient! Nach jeder Kurve erwartet uns eine phänomenale Aussicht. Stetig führt die Straße nach unten. Von ca. 400m über Normal-Null (Meereshöhe) zum tiefsten Punkt unserer Erde, ca 400m unter Meeresniveau. Dann wird alles getoppt: ein Wahnsinns-Ausblick in ein tiefes Tal. Foto-Stop! Team-Fotos! Hachenburger Büxenbier (ja, obwohl wir noch 3km fahren müssen!). Was ist bloß los? Wir wollen nicht über die Ziellinie fahren! Wir halten uns länger auf, als das es selbst dieser tolle Ort erfordert. Dann kommt Bruno auf die Idee, dass wir unsere Volvos noch „Krönen“ müssen. Mit Super-Kleber fixieren wir die leeren Büxen als Kühlerfiguren auf den Motorhauben. Eine Emily auf einem Rolls Royes kann nicht anmutiger sein!

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Weil wir die Büxen nicht verlieren wollen – oder weil wir einfach nicht finishen wollen – rollen wir mit minimaler Geschwindigkeit Richtung Ziel: dem 5-Sterne Corn-Plaza-Hotel am Toten Meer.

Auf der 2-suprigen Zielgeraden fächern wir auf:

Links der „Hui“

In der Mitte der „Wäller“

Rechts der „Allemol“….

Keines unserer Autos hat es verdient erster oder letzter des Teams zu werden! Und so rollen alle Frischlinge im selben Moment, in der exakt gleichen Hundertstel-Sekunde über die Ziellinie! GÄNSEHAUT!!!!! Leute: G Ä N S E H A U T!!!! Wir sind im Ziel!!!

Ganz die Frischlinge, lassen wir nach dem Ziel die Sau raus. Die Maschine des „Wällers“ wird bis zum Drehzahlbegrenzer hochgejagt stößt in neue Phon-Regionen vor; der „Allemol“ legt wilde whillys hin und unser „Hui“ sorgt für die musikalische Untermalung mit Rock der 80iger: Billy Idol, Foreigner, Whitesnake, Alice Cooper und Co!

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Auf dem Hotelparkplatz gibt es kein Halten mehr. Unsere Frischling-Volvos werden zur Party-Meile und wir feiern ausgelassen auf den Motorhauben und Dächern der Autos. Bei der Gelegenheit öffnen wir die letzte Büx Hachenburger Pils – Danke der Hachenburger Brauerei. Euer hart erstelltes Erzeugnis hat uns immer begleitet und ermutigt, den Weg fort zu setzen!

Jedes Team, das nun nach uns die Ziellinie passiert wird von uns mit Bier (türkischen Efes) nassgemacht. Auch Wilfried Gehr, der ca. 1 Stunde nach uns eintrifft entgeht dieser Frischling-Dusche nicht! 5 Frischlinge gegen ein OK-Mitglied. Der werte Leser möchte sich an dieser Stelle selbst ein Bild davon machen, wie unser Wilfried danach aussah!

Zur Belohnung, dass Wilfried uns sein Team und 3 unvergessliche Wochen beschert haben, übergeben wir ihm ein original Frischling T-Shirt.

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Er bedankt sich freudetaumelnd mit den Worten: „Jungsch, ihr Frischlinge warts ne wirklische Bereischerung für die AOR!“. Ritterschlag! Adelung! Bundesverdienstkreuz! Alles nix wert, gegenüber diesen Worten!

Noch eins, zwei Bier kippen und dann ab ins Hotel. Dieser 5-Sterne-Bunker wirkt so surreal auf uns wie Angelina Jolie mit Joschka Fischer auf der Hachenburger Kirmes. Passt irgendwie nicht zu dem, was wir die letzten 3 Wochen erlebt haben. Dennoch ist der Luxus nicht unwillkommen! Nobles Ambiente, große Zimmer, gefüllte Minibar, fließend Wasser, zudem noch heiß, eine Dusche, ein Bett, eine Bett-Decke, W-Lan… Unglaublich aber wahr!

Für einen weiteren Frischling heißt es Abschied nehmen: Jens wird noch diese Nacht von Amman Richtung Frankfurt starten. Er gönnt sich noch eine ausgiebige und heiße Dusche und muss feststellen, dass selbst nach 15 Minuten immer noch ein Rinnsal aus Dreck den Boden der Wanne bedeckt – also ab in die (Dusch-) Verlängerung. Gereinigt und in sauberen Klamotten bahnt er sich dann den Weg zu den Team-Kollegen. Abschied nehmen. Oh Mann, fällt das schwer. Tränen, Umarmungen und Treue-Schwüre.

Einzig die Aussicht auf Stella und Andrea schaffen es, dass sich Jens endlich auf den Weg Richtung Flughafen macht. Da waren es nur noch vier!

Diese vier genießen einen Abend der Entspannung – naja, fast! Nach dem Abendessen begibt man sich an die Bar und tauscht sich mit anderen Rallye-Nomaden aus. Geschichten gibt es wahrlich genug… Der Abend vergeht wie im Flug…. So wie die letzten 3 Wochen. Jetzt sind wir nur noch auf morgen gespannt – dann findet die große Sieger-Ehrung statt. Wie wir wohl abgeschnitten haben?

Irgendwann – wer weiss schon genau wann… – heißt es mal wieder: „Nacht, John-Boy!“.