Tag 22: Gunjur und Sanjang

Aufwachen am Atlantik mit Meerblick vom Hotelbalkon – nicht ganz so abenteuerlich wie die Wagenburg direkt am Strand, aber herrlich! Das Meerwasser hat hier 24 Grad und morgens sind kaum Mücken unterwegs ?Beim Frühstück stellen wir fest, dass einer unserer Autoschlüssel fehlt. Wer hat ihn wem gegeben, wo könnte er sein? Hatte Schreiner oder Bernd den Schlüssel zuletzt in der Hand? Das Frühstück wird abgebrochen und ein kleines hektisches Chaos bricht aus. Sachen werden durchwühlt – kein positives Suchergebnis. Nutzt nix, wir fahren mit zwei Autos los zum Treffen mit den anderen Rallyeteilnehmern am Senegambia Highway.

 

Heinz, seine Familie und die deutsche Krankenschwester Alisa kommen zum Treffpunkt und wir fahren zusammen die ca. 35km nach Gunjur. Dort hat die DBO vor 8 Jahren begonnen eine Tagesklinik aufzubauen. Das Ebola Schild am Eingang lässt uns kurz zusammenzucken. Dr. Sulayman Sambou ist der einzige verfügbare Arzt dort. Ein beeindruckender Mensch. In seiner Laufbahn hat er für das gambische Gesundheitsministerium und EU-Institutionen als Arzt und Aufklärer gearbeitet. Die letzten Jahre bevor er die Krankenstation mit Heinz und der DBO aufgebaut hat, war er für die Vereinten Nationen als Gesundheitsaufklärer tätig. Sein Vater hatte in Gunjur ein großes Grundstück. Suleiman wollte direkt mit und für seine Landsleute arbeiten, direkt etwas für die Gesundheit in seinem Dorf und die größere Umgebung tun und kam in Kontakt mit der DBO. Sein Vater hatte eine Lehmgrube auf dem Gelände und es gab einen riesengroßen Krater aus dem Lehm geschürft und verkauft wurde.

 

Mit der Unterstützung aus Deutschland wurden Behandlungsräume, ein Schulungsraum und eine kleine Medikamentenausgabe aufgebaut. „Education ist the key for health! People don’t know about hygiene and safe sex. You have to educate them. You have to get the interest of the young people and mix football, music and dancing with lessons on washing and hygiene. Otherwise they don’t listen to you. The islamic religion is making it very difficult to open the mind for our topics “. In der Tagesklinik werden Infektionen und Verletzungen, Malaria und andere Krankheiten behandelt sowie kleine Operationen gegen eine Behandlungspauschale von 25 Dalasi (< 1EUR) durchgeführt. Wer nicht zahlen kann, wird trotzdem bezahlt. In der Regenzeit herrscht Hochbetrieb wegen Malaria. Menschen liegen überall auf dem Boden im Garten, Infusionen hängen an den Bäumen. Auch Suleiman hat Malaria, die ihn immer wieder heimsucht. Er hat sie sich bei seinen Nachtschichten in anderen Krankenhäusern geholt.

 

 

Bei seinen Schulungen versucht er Jungen und Mädchen über Verhütung aufzuklären, um den Armutsteufelskreis zu durchbrechen. Hinter verschlossenen Türen gibt es auch Aufklärung zur Genitalverstümmelung, die es ebenfalls immer noch gibt. Um die Malaria zu bekämpfen, schult er die Menschen darin, abends lange Kleider zu tragen, unter Moskitonetzen zu schlafen und stehendes Wasser im Haushalt zu vermeiden. In den benachbarten Dörfern gibt es auch ca. 7.000 Flüchtlinge aus Guinea-Bisseau, die nach dem letzten Militärputsch und Bürgerkrieg nach Gambia geflohen sind. Auch sie werden hier behandelt. Täglich sind es ca. 100-120 Personen, die Betreuung in der Medical Station erfahren – in der Regenzeit über 200. Die nächste Entwicklungsstufe soll der Bau einer Geburtsklinik sein. Verbandsmaterial und Medikamente sind immer wieder rar. So wurde vor kurzem eine Frau aus einem Krankenhaus in Banjul mit einem Taxi die lange Strecke nach Gunjur geschickt mit offener Wunde nach Kaiserschnitt, Tuch auf die Wunde – in Gunjur soll es noch Verbandsmaterial geben… Wir übergeben Suleiman und seinem Team unsere Feldbetten, Verbandsmaterial und mitgebrachte Medikamente und wir richten gerne das supergroße DANKESCHÖN an Pharma Lupus / Unnau, den DRK OV Hachenburg und die uns unterstützenden Apotheken aus! Die Hilfsgüter werden mit einer Kette vom Krankenstationspersonal und Kindern aus unserer Dachbox zur Krankenstation gebracht. Jeder ist stolz etwas tragen zu können – die Menschen sind sehr, sehr dankbar für die Unterstützung.

Nebenan gibt es auch eine Näh-Lehrwerkstatt für junge Mädchen, die mit alten deutschen Nähmaschinen das Schneiderhandwerk erlernen können. Auch dieses Projekt wurde von der DBO ins Leben gerufen und steht mittlerweile auf eigenen finanziellen Beinen. Dann ruft Heinz zur Abfahrt. Menschen stehen am Strassenrand und winken fröhlich – thank you, thank you! Dann geht es weiter zum Dorf Sanjang. Hier hat die DBO die erste Schule mit verschiedensten Unterstützern aus Deutschland gebaut. Buba Bojang, der Schulleiter, ist hier der Visionär, der das Projekt von gambischer Seite mit großer Hartnäckigkeit ins Leben gerufen und maßgeblich mit der DBO Unterstützung aufgebaut hat. Sein Vater hatte im Dorf ein großes Grundstück, Buba ist leidenschaftlicher Lehrer. Er möchte den Dorfkindern etwas beibringen, kauft sich von der ersten Rallye ein Auto, um Geld beim Taxifahren zu verdienen, baut ein erstes Zimmer, um die Deutschen zu überzeugen. 2006 begonnen, hat die Schule nun mehrere Klassenzimmer, 15 Lehrer und 215 Schüler. In der Nursery School lernen die 3-6jährigen Englisch. Es gibt viele Stammesprachen in Gambia, aber ohne Englisch keine wirkliche Perspektive. In den weiteren Klassen der Primary School gehören Mathematik, Sachunterricht und weitere Fächer dazu. Auch wir dürfen uns als Lehrer betätigen und die Kinder antworten nach kurzer Zeit auf ein kräftiges Hui Wäller? ein lautes Allemol! Wir Frischlinge fallen zwischen den ganzen Kindern fast überhaupt nicht auf, da die Schulkleidung grüne Hemden sind. Die gambischen Staatsschulen sind nach Auskunft Buba’s seit ca. 2 Jahren kostenlos, aber die Schulen erhalten Geld nach Anzahl der Schüler und das wird natürlich ausgenutzt. So sind Klassenverbände von 60-70 Schülern weit verbreitet. Wie sollen die Kinder da etwas lernen? Sitzenbleiben gibt es in Gambia nicht, wenn Du nicht mehr mitkommst verlässt Du die Schule – Perspektive verloren…

Dann brechen wir zum Heimweg auf, um weiter nach dem vermissten Autoschlüssel zu suchen. Unterwegs sehen wir in einem Dorf eine junge Fußballmannschaft trainieren. Wir halten an, kommen mit den Kids ins Gespräch und übergeben unsere weißen T-Shirts mit schwarz-rot-goldenen Streifen. Die Kids sind happy und wir schauen noch eine Weile beim Spielen zu.

Im Hotel werden nochmals alle Taschen, Kleidungsstücke untersucht – kein Schlüssel zu finden. Wir entscheiden den Wagen über die Beifahrertür zu öffnen. Es gibt sofort große Hilfsbereitschaft! Gambische Männer bringen uns festen Draht und jeder darf sich versuchen. Dann ist der Wagen geöffnet und wir finden einen Notschlüssel in der Bedienungsanleitung. Damit kann man aber leider den Wagen nicht starten und die Wegfahrsperre neutralisieren. Autohaus Kegler mit seinem Chef und seinem Elektriker leistet telefonische Unterstützung, aber das Problem ist unlösbar. Wir gehen nochmals systematisch an die Taschen und Kleider und siehe da: Unser Schreiner hatte den Schlüssel aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen in die Jacke von Pharma gepackt…. Großes Klatschen von den Gambiern, anderen Rallyeteilnehmern und natürlich uns als der Wagen startet. Dann werden die Fahrzeuge von innen und außen gereinigt. Den Abend lassen wir bei tiefsinnigen Gesprächen und ausreichend Malariaprohylaxe mit Gin Tonic am Strand ausklingen. Morgen geht’s mit den Fahrzeugen zur großen Versteigerung an das Stadion von Serekunda…