Kurz vor 9:00 traf Bakiri an unserem Guesthouse ein. Bakiri ist mit Toima und Filomena Co-Founder der ECLAT Foundation und arbeitet neben seinem Hauptberuf IT-Consultant als Infrastrukturentwicklungsmanager für die Stiftung. Nach dem gegenseitigen Kennenlernen bei einer Tasse Kaffee auf unserer Terrasse bestiegen wir unsere Fahrzeuge, fuhren wieder händeabklatschend am Waisenhaus vorbei auf die Hauptstraße und durchquerten Arusha Richtung Süden, um verschiedene ECLAT Projekte zu besuchen.
Am Stadtausgang stellte er sein Fahrzeug ab und nahm im WÄLLER Platz. Nach 35km verließen wir die Tanroad und es ging auf die Offroadpiste durch wüstenähnliche Landschaft. Bei Kilometer 43 meldete HUI Probleme mit der Motorleistung. Männerschnupfen? Vermutlich immer noch Dreck im Diesel. Um keine Zeit zu verlieren fuhren wir eine Massaihütte an. Bakiri sprach mit den Massai und wir ließen HUI zurück.
Die HUI Besatzung nahm wieder Platz im WÄLLER und durfte abermals den vorzüglichen Fahrservice genießen. Dann ging es zügig weiter durch Sand und Schotter. Bakiri erzählte uns über Funk viel über das Leben der ca. 1 Million Massai, Tansania und die Arbeit von ECLAT.
Viele Massai leben mit ihren Rinderherden immer noch als Nomaden in der Steppe. Zwangsehen sind an der Tagesordnung. Den Männlichkeitsbeweis durch das Kämpfen mit einem Löwen gibt es schon lange nicht mehr, da die Regierung das Töten der Löwen verboten hat. Die Massai kommen in der Regel mit einer Tasse Wasser am Tag aus. Über 90% sprechen kein Englisch, aber mittlerweile über 50% Suaheli, die inoffizielle Amtssprache Tansanias. Sie ernähren sich vorwiegend vom Fleisch ihrer Rinder-, Ziegen- und Schafherden. Wilde Tiere jagen sie nicht und sie leben in absolutem Einklang mit der Natur.
Die ECLAT Foundation basiert auf einer persönlichen Initiative von Toima 2008. 2016 wurde die Organisation als nationale NGO registriert und hat mittlerweile 16 Mitarbeiter. Bisher hat sie 42 Schulen mit über 260 Klassenräumen gebaut, diverse Wassergewinnungsprojekte durch Bohrungen und Oberflächenwasserauffangstationen mit Filter realisiert und unterhält verschiedene Ausbildungszentren, insbesondere für Frauen. Auch eine Familienplanungskampagne zur sexuellen Aufklärung und Reduktion des rasanten Bevölkerungswachstums führt die Organisation aktuell durch. Regionstechnisch ist ECLAT mittlerweile auch in den Distrikten Kagera, Mtwara und Jringa aktiv.
Gegen 14:00 erreichten wir nach fast 80km Offroadpiste eine im August fertiggestellte Schule mit 2 Klassenräumen, die ECLAT mit der Unterstützung von Fly & Help gebaut hat. Eltern der Schulkinder kamen angelaufen und begrüßten uns in ihren farbenprächtigen Kleidern. Dann ging es weiter zum bisher größten realisierten Projekt von Eklat, zur Emborret Schule. Die Lehrer Hasan und Violette begrüßten uns und führten uns herum.
Aktuell werden 762 Schüler von 21 Lehrern betreut. In der Schule gibt es Klassen für die Primary School, d.h. die ersten 7 Schuljahre, eine Secondary School für die nächsten 4 Schuljahre, die mit dem „O-Level“ abgeschlossen wird, und die Möglichkeit, in 2 weiteren Jahren mit dem Abitur (hier „A-Level“) abzuschließen.
Einige Mädchen in weißen Rollkragenpullovern, umringt von anderen Schülern, die eine schattenspendende Plane über die Gruppe halten, kamen uns singend entgegen. Sie hatten ihren „0-Level“ Abschluss bestanden. Wir durften gratulieren und die Mädchen wollten mit ein gemeinsames Foto mit uns machen. Auch einen der Schlafräume durften wir besichtigen. 80 Kinder finden hier Platz. Die 4er Zimmer sind abgegrenzt durch halbhohe Mauern. Es gibt immer 2 Stockbetten und für jedes Kind eine kofferähnliche Kiste für die Kleider. Einige Schülerinnen kochten in riesengroßen Töpfen Essen auf dem offenen Feuer. Der Rohrstock wird hier für harte Verfehlungen noch eingesetzt, aber nur nach schriftlicher Einzel-Freigabe des Direktors.
Wir verließen die Schule und fuhren zum einen Kilometer entfernten Woman Centre weiter. Dort begrüßte uns eine Gruppe Mädchen im Alter zwischen 20-22 und Mama, die Frau des ECLAT Gründers Tioma. Auch wir durften Mama zu ihr sagen. Filomena ist eine Frau in den Fünfzigern mit einer Ausstrahlung, die Güte zeigt, aber auch Ehrfrucht auslöst. Die Mädchen hier machen eine praktische Ausbildung in verschiedenen Ausbildungszweigen wie z. B. Hotellerie, Hauswirtschaft oder Schneiderei. Die meisten waren bereits schwanger, in Zwangsehen verheiratet und lernen hier neues Selbstbewusstsein und Fähigkeiten, um ihren Lebensunterhalt selber bestreiten zu können.
Wir übergaben unser Kochgeschirr, Tassen, Campingstühle, Campingtische, einen unserer mobilen Kühlschränke und alles, was sie sonst noch gebrauchen können. Die Campingausrüstung wird zur Ausbildung für die Mädchen genutzt, damit sie Safaritouristengruppen professionell begleiten können. Der Tourismus macht laut Bakiri 25% des tansanischen Bruttosozialproduktes aus – 30% der Landesfläche sind in Nationalparks geschützt.
Im Ausbildungsraum stand auch eine alte mechanische Singer-Nähmaschine. Die Schneiderlehrerin zeigte uns die selbst genähten Hemden. Derzeit werden 45 Gruppen a 30 Frauen im Zentrum betreut. Auch Gruppen mit „Senior-Frauen“ im Alter von 40-50 gibt es. Wir verabschiedeten uns von den Mädchen und von Mama – einfach eine beeindruckende Persönlichkeit.
Den Rückweg legten wir mit maximaler Rallyegeschwindigkeit zurück – die letzten Offroad-Kilometer für unsere Fahrzeuge. 10km vor Erreichen der Tanroad holten wir auch HUI ab. Der Dreck im Diesel hatte sich wieder etwas gesetzt und wir konnten zügig nach Arusha fahren. Wir passierten den African Court of Human Rights, den Internationalen Gerichtshof auf dem afrikanischen Kontinent, analog Den Haag in Europa. Vielen Dank Bakiri, für den beeindruckenden Tag!
Zum Sonnenuntergang fuhren wir wieder händeabklatschend an unseren Waisenhauskindern vorbei – HUI die letzten Meter am Seil, da der Dreck im Diesel wieder aufgewirbelt worden war und der Motor dauernd ausging. Zum Abendessen sollte es heute etwas sehr Besonderes sein. Der Abend ist war Ehren und Lasten von Thommy. Er liegt immer noch in einem Intensivbett in einer speziellen Reha-Einrichtung, aber hat die künstliche Beatmung verlassen. Wir hatten zwischendurch ein Video-WhatsApp-Anruf mit ihm machen können.
Unsere Taxifahrer von gestern holten uns ab und brachten uns in das ca. 3km entfernte Onsea-House mit Blick auf Arusha. Viele Lichter waren nicht zu sehen, die wenigsten Häuser haben einen Generator. Beim Betreten der Terrasse kamen wir uns etwas deplatziert vor. Der Tisch war festlich gedeckt, Weingläser, mehrere Bestecke – der Kontrast zu dem bisher Erlebten war enorm. Der Kellner erklärte uns den Ablauf des 5-Gänge Menüs. Er und Grace servierten uns nach und nach die verschiedenen Gänge auf allerhöchstem Spitzenküchenniveau, dazu südafrikanischen Wein.
Dann kam Axel, der Chef des Restaurants. Er stammt aus Belgien und hat das Restaurant vor 18 Jahren eröffnet. Sein Cousin war einer der UN-Ermittler, die an dem 1995 von der UN eingerichteten Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) zur Verfolgung des Schuldigen des Genozids in Ruanda tätig waren. Die UN-Mitarbeiter verdienten gutes Geld, konnten aber nirgendwo gehobene Küche genießen. Die richtige Zeit zur Eröffnung des Restaurants. 2016 hat der ICTR seine Arbeit in Arusha eingestellt. Für Axel ist Koch kein Beruf, es ist die Leidenschaft und Passion seines Lebens. Bereits als Kind hat er gekocht und der Traum seines Lebens war ein eigenes Restaurant. In Belgien scheiterte er mit einer Insolvenz, aber hier baute er das Onsea-House auf und kann dort seine Leidenschaft für die exquisite Küche ausleben. In den vielen Jahren hat er über 80 Mitarbeiter ausgebildet – alle selbst trainiert. Mittlerweile kocht er für Schauspieler, Prominente aus Wirtschaft und Politik weltweit. Wichtig ist für ihn der Heliport, wo seine besonderen Kunden ihn abholen und einfliegen lassen können.
Er erzählte uns die Geschichte als der Vorsitzende eines großen europäischen Konzerns ihn zur Begleitung auf den Kilimanjaro gebucht hatte. Der Sohn des Hauses verlangte eine Pizza auf 4.600m Höhe – er baute mit seinem Team einen Pizzaofen aus herumliegenden Steinen, machte Feuer und bereitete aus den verschiedenen, verfügbaren Zutaten eine Pizza: Everything is possible!
Wir hatten einen sehr langen Abend mit dem Austausch von ganz besonderen Erlebnissen und Erfahrungen. Axel teilt unsere Leidenschaft für Autos und ist mehrmals durch die Nordschleife auf dem Nürburgring gefahren. Er ließ uns seinen besten Wein auf Kosten des Hauses bringen, wir tauschten unsere Shirts und natürlich gab es zum Abschluss ein tolles Gruppenbild mit dem ganzen Team.
@Thommy: Vielen Dank für diesen mega-unvergesslichen Abend. Weiterhin gute Besserung – im Herzen bist Du die ganze Zeit auf unserer Tour mitgefahren!!!